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"Ist das normal"? Wenn du Verluste erlebt hast, hast du dir diese Frage vielleicht schon einmal selbst gestellt.


Dabei steht gar nicht im Vordergrund, wen oder was wir verloren haben. Wir trauern um jemanden, der nicht mehr bei uns ist; um eine zerrüttete Beziehung; um die verlorene Arbeitsstelle; um das Einbüßen von Fähigkeiten, unserer Gesundheit oder diesem magischen Gefühl der Unsterblichkeit.

Ein Mensch steht glücklich im Regen.
Leben mit Trauer: das Wellenmodell

Es gibt mehrere klassische Modelle, die versuchen unser Verhalten nach einem Verlust einzuordnen, uns Orientierung zu geben. Eben die Frage zu beantworten, die irgendwann aufkommen könnte: ist das was ich fühle und tue eigentlich "normal"?


Die Trauerphasen nach Kübler-Ross "Leugnen - Wut - Verhandeln - Depression - Akzeptanz" haben ihren Ursprung in der Erforschung der Trauer von unheilbar kranken KrebspatientInnen. Die Phasen wurden später an andere Trauerursachen angepasst.


Ich persönlich fand mich in meiner Trauer im Wellenmodell nach Bonnano wieder. Wellen intensiver Trauer wechseln sich regelmäßig mit "normalen" schönen Momenten ab. Dabei tragen beide Modi dazu bei, den Verlust zu verarbeiten und zwar mit ausreichend Kraft. Diese wird in den unbeschwerteren Phasen geschöpft, um wieder für die Trauerphasen gewappnet zu sein. Das der Phasen, wieder und wieder, ebnet den Weg für ein erträglicheres Erleben der Trauer.


Jeder Mensch ist anders und jede Trauer ist anders. Es gibt keine richtigen und falschen Emotionen und genauso gibt es nicht das eine Modell, das jede Trauer erklären kann. Dennoch haben die unterschiedlichen Modelle eines gemeinsam: sie betonen, wie wichtig es ist, sich mit den eigenen, unangenehmen Gefühlen auseinander zu setzen.


Und dafür braucht es Wissen und vor allem Vertrauen in den Prozess. Wissen, dass das Zulassen der Gefühle notwendig ist. Vertrauen, dass wir das wirklich durchstehen können.


Erst dann konnte ich die kleinen und großen Hilfsmittel auch annehmen: Briefe an meinen Verstorbenen schreiben, meine Trauer in Lieder und Bilder verpacken, mich offen in meiner Selbsthilfegruppe austauschen, eine Psychotherapie und eine 5-wöchige Reha machen, regelmäßig allein sein und mich meinen Gefühlen und Gedanken stellen.


Und nun gehört auch der offene Austausch auf dieser Plattform hier dazu.


Ich hoffe, das dich dieses Thema noch nicht persönlich betrifft. Aber falls doch, möchte ich, dass du weiß, dass sich die Arbeit lohnt. 💛🫂



Unsere Arbeit ist ein großer, zeitintensiver Teil unseres Lebens. Wenn ein erfreuliches Ereignis in unseren Leben ansteht, teilen wir das oft euphorisch mit unserem Team. Doch wie ist es mit Verlusterfahrungen? In vielen Unternehmenskulturen gilt immer noch der Ansatz, dass Trauer etwas höchst privates ist und am Arbeitsplatz nichts zu suchen hat. Die Realität sieht jedoch häufig anders aus.

Person niedergeschlagen vor dem Computer am Schreibtisch
Trauer am Arbeitsplatz

Auch Jahre nach dem Verlust können Trauernde von Traurigkeit, Angst, Sehn­sucht, Wut, Verzweif­lung, Einsam­keit, oft auch Scham und Schuld regelrecht überwältigt werden. Das Weiterfunktionieren und wie gewohnt "leisten" wird unter dieser emotionalen Belastung oft zur Zerreißprobe.


Und auch im Team kann es zu einem ähnlichen Gefühlsmix kommen: Angst davor, etwas Falsches zu sagen und schmerzhafte Gefühle bei den Trauernden auszulösen; Scham, weil man nicht auf Anhieb die richtigen Worte findet oder aus Unsicherheit seit Wochen den trauernden Kollegen meidet. Angst, dass einem selbst oder den eigenen Angehörigen etwas zustoßen könnte – jetzt wo man mit der Vergänglichkeit konfrontiert wird. Aber auch tiefes Mitgefühl und der Wunsch, den Schmerz doch irgendwie zu lindern.


Nichts davon ist leicht.


🤍 Aber was ist, wenn wir mit unserer Verlusterfahrung gar nicht alleine sind? Wenn wir plötzlich herausfinden, dass unser Gegenüber etwas sehr ähnliches erlebt haben? Dass da sehr viel Empathie, Wärme und Halt ist: etwas was uns als Menschen noch viel mehr zusammenschweißt und uns Vertrauen zueinander schenkt?


Vielleicht hätten wir das nie erfahren, wenn wir geschwiegen hätten.


Und auf der anderen Seite: wenn der Verlustschmerz eines Kollegen uns sprachlos und hilflos dastehen lässt, ist genau das ein guter Gesprächsstart: "Ich weiß nicht was ich sagen soll." Da sein, zuhören, verstehen, was die Person fühlt und was sie eigentlich braucht – ohne zu bagatellisieren oder vergleichen.


Meine Vision ist die einer Gesellschaft, in der jeder Mensch offen und selbstempathisch mit seinen vermeintlichen "Schwächen" umgeht. Wo niemand sich für persönliche Krisen zu schämen braucht und jede/r sich die Unterstützung holen kann, die er/sie gerade benötigt – unabhängig vom Geschlecht oder Status. Ich möchte Teil dieser längst überfälligen Veränderung sein.

An manchen Tagen wache ich auf und weiß es sofort: dieser Tag wird schwierig. Immer wieder flackern Erinnerungen auf und die Farbe meiner Stimmung macht es mir unmöglich, gelassen mit meinen Gefühlen umzugehen. Die üblichen Strategien funktionieren nicht mehr.

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Und eigentlich ist es gar nicht ein einzelner Tag. Manchmal ist es eine Woche, manchmal ein Monat. In dieser Woche hätte einer meiner Herzensmenschen seinen 32. Geburtstag gefeiert. Der Geburtstag bleibt, doch schon zum 4. Mal wird er als ein Gedenktag begangen, denn mein Mensch ist fort. Diese Woche möchte ich meine Gedanken und Strategien in dieser intensiven Zeit der Trauerarbeit mit euch teilen – so gut es mir denn möglich ist.


Von anderen Trauernden habe ich früh gelernt, dass kein Gedenktag dem anderen gleicht.


Dass nach dem 1. Todestag alles leichter wird, gilt längst nicht für alle – auch wenn die meisten von uns Trauernden sich das wünschen würden. Über die Jahre sammelt man Erfahrung über diese besonderen Gedenktage. Da wären... der Todestag, der Geburtstag, Weihnachten, vielleicht der Hochzeitstag oder Muttertag/Vatertag und andere individuelle Tage, die besonders sind. Man könnte meinen, man wüsste, was beim nächsten Mal auf einen zukommt. Ich wäre doch vorbereitet. "Ich habe das doch schon durchgestanden. Beim nächsten mal wird es nicht mehr so schmerzhaft."


Und dann hämmert die Trauer doch wieder viel zu laut und mit voller Wucht gegen die Tür.


Was hilft mir persönlich und was hilft anderen im Trauer-Coaching, wenn die üblichen Strategien nicht mehr funktionieren?


🤍 Trauern ist ein Bedürfnis. Die Trauer will gehört und ernst genommen werden. Und sie will, dass wir nach diesem Bedürfnis handeln. Für mich bedeutet das folgendes: Ich höre auf, mich zu wehren. Sie ist kein lästiger Gast, der uneingeladen plötzlich vor der Tür steht. Sie ist meine Helferin. Sie hilft mir, den Tod meines Menschen wirklich zu verarbeiten. Sie hilft mir auch, mit ihm in Verbindung zu bleiben. Sie hilft mir bei der Neuorientierung in meinem Leben. Und irgendwann wird sie es sein, die mir das liebevolle Erinnern ermöglicht – ohne, dass es mir den Boden unter den Füßen wegreißt. Je mehr ich ihre Funktion verstehe, umso mehr akzeptiere ich sie und das, was sie da eigentlich für mich leistet. Und was ich selber leiste, wenn ich die Trauer nicht verdränge.


In den kommenden Beiträgen möchte ich mit euch teilen, welche Strategien mir dabei helfen, gut durch die intensiven Trauerphasen zu kommen.


Spoiler: Kreativität ist ein Teil davon. 💛

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